Er hätte sich lieber sein eigenes Bein oder einen Arm abgenagt, als mit diesem Typen ein Schulprojekt zu machen und doch hatte ihn genau dieser Fall erwischt. Nicht, dass er an und für sich ein Problem mit dem anderen hatte – der fiel ihm an und für sich halt nicht besonders negativ auf und so war es eigentlich noch nie großartig zu einer Paco üblichen Situation zwischen ihnen gekommen – aber er konnte sich eindeutig besseres vorstellen, als seinen Tag in einem verdammten Pfarrhaus hockend zu verbringen. Nicht nur, dass er befürchten musste in Flammen aufzugehen, wenn er über die Türschwelle trat, weil seine liebsten Hobbies aus Leute verprügeln und Schwänze lutschen bestand – er stellte sich das Leben in so einem Haus und in so einer Familie echt wahnsinnig öde und… nun ja. Prüde vor. Nicht, dass das keine netten Menschen sein konnten, aber nett sein schützte halt nicht davor, dass man andere zu Tode langweilte.
Auf dem Weg zum Folterkeller noch schnell eine geraucht, warf er seine Kippe kurz vorher noch auf den Gehweg, trat sie aus und marschierte weiter in Richtung seines Ziels, wo er vor der Tür stehen blieb und klingelte. Es dauerte nicht lang, bis ihm die Tür geöffnet und er von Auguste begrüßt wurde. Mehr als ein „Mhm“ brachte er trotzdem nicht über sich. Mit den Händen in den Hosentaschen trat er ein und ließ aufmerksam den Blick durch den Flur schweifen. Unweigerlich musste er feststellen, dass er auf den ersten Blick wohl gar nicht so falsch mit seiner Vermutung zu sein schien. Jedenfalls war die Einrichtung wahnsinnig altbacken. Mit einem „gut.“ Folgte er dem anderen schließlich in dessen Zimmer, dessen Anblick tatsächlich kurzfristig seine Mundwinkel in die Höhe zucken ließ. Zwei Betten teilten ihm mit, dass er sich sein Zimmer offenbar teilen musste. Ein Umstand, den er nur allzu gut kannte. Es hatte eine Zeit gegeben, als sie gerade erst nach Frankreich gekommen waren, in der auch er sich sein Zimmer mit Sol hatte teilen müssen. Heute waren es Ana und Nuri, die sich ein Zimmer teilten, weil sie sich noch mehr Räume einfach nicht leisten konnten. Wurde also wirklich Zeit, dass er die Schule zu Ende brachte, einen Job fand, selbst Geld verdiente und sich eine eigene kleine Wohnung suchte. Im Grunde reichte ja auch eine Besenkammer, wenn er ehrlich war. Zur Not hätte er auch den Harry Potter gemacht und unter irgendjemandes Treppen gehaust.
Es dauerte nicht lange, ehe Augustes Mutter um die Ecke kam und ihn begrüßte. Der beste Schlachtplan in einer Situation wie dieser? Mamas Junge sein. Direkt wurde sein Gesichtsausdruck weicher, der Kiefer wurde nicht mehr so angespannt und die sonst bevorzugt im Keller hängenden Mundwinkel nach oben gescheucht. „Oh nein, vielen Dank. Ich will Ihnen gar nicht zur Last fallen.“ Er brauchte nichts zu trinken, echt nicht. Eigentlich wollte er nur dieses dusselige Projekt hinter sich bringen und dann wieder nach Hause. Kaum also, dass sie wieder verschwunden war, legte er seine Tasche auf dem Boden ab und warf einen Fragenden Blick auf seinen Mitschüler. „Also. Wo fangen wir an? Ich hab‘ heute noch was vor, also würd‘ ich das hier gern schnell hinter mich bringen.“ Gut, sicherlich hätte er mit ein bisschen Drohen auch dafür sorgen können, dass der Scheißer das alleine machte, aber eigentlich war es tatsächlich nicht seine Art, andere seine Arbeit machen zu lassen. Auch nicht, wenn es um Schularbeiten ging. Egal wie oft er mal ein paar Stunden schwänzte, ernst nahm er diese Arbeiten, Tests und co trotzdem. Einfach, weil er die Schule eben schnellst möglich beenden wollte und das auch mit einem möglichst guten Schnitt, damit ihm ausreichend Möglichkeiten offen standen und er seine Eltern etwas besser unterstützen konnte.