Das durfte doch nicht wahr sein. Unweigerlich blieb ich stehen, als plötzlich jemand vor mir auftauchte und mich somit auf meinem Weg zu den Klos ausbremste. Nicht, dass ich es besonders eilig hatte, eigentlich brauchte ich eher einfach irgendetwas zu tun und hatte mich deshalb dazu entschlossen, mich dorthin auf den Weg zu machen. Eher störte mich zwangsläufig die Tatsache, dass da niemand geringeres vor mir stand als Séb. Wie auf Kommando zogen sich die dunklen Augenbrauen zusammen, während ich ihn musterte und er direkt damit begann, draufloszureden. Das hatte er doch bestimmt mit Absicht gemacht, der kleine Spinner. Nun gut, was hieß klein, immerhin war er etwas größer als ich, aber das spielte echt keine Rolle. „Bis gerade eben ging es mir ganz gut“, verfiel ich direkt wieder in mein übliches Verhaltensmuster, schaffte es aber zumindest mich selbst davon abzuhalten, mich einfach an ihm vorbeizuschieben und meinen Weg fortzusetzen. Stattdessen ließ ich kurz den Blick über die umliegenden Menschen schweifen nur, um ihn schließlich wieder auf meinen Gegenüber zu legen, der zugegebenermaßen verdammt gut in diesem Hemd aussah. Also, verdammt gut sah er ohnehin immer aus, wofür ich ihn am liebsten einfach verflucht hätte, aber dieser Fetzen Stoff stand ihm echt.
„Und du hast nichts aus letztens gelernt?“, hakte ich schließlich nach und zog eine Augenbraue in die Höhe, während ich ihn beinahe vorwurfsvoll ansah. „Oder hast du deinen Zwilling irgendwo verloren?“ So konnte man natürlich auch nachhaken, ob er tatsächlich wieder völlig allein hier aufgeschlagen war. Nach allem, was passiert war. Gut, das war nicht besonders viel gewesen, aber es war schon schlimm genug, um einem einen handfesten Schrecken einzujagen. Hatte es ja auch getan, immerhin war er anfangs echt fertig gewesen, das hatte ich ihm durchaus anmerken können. „Hast du ihm wenigstens erzählt, was passiert ist?“ Nicht, dass das eine Schuldzuweisung oder dergleichen sein sollte. Er konnte nichts dafür, dass so schmierige Typen zu seiner Fanbase gehörten, aber es schadete wohl trotzdem nicht, ihn so etwas wissen zu lassen. Auch zu seiner eigenen Sicherheit. Natürlich versuchte ich gerade einfach nur irgendwie um den heißen Brei herum zu reden, statt einfach wieder da anzufangen, wo ich bei unserem vorletzten Treffen aufgehört hatte. Wenn ich Izzy nachgeben und ausnahmsweise ihrem bescheuerten Rat folgen wollte, brachte es mich vermutlich nicht weiter dieselbe Strategie zu fahren, mit der ich bisher versucht hatte den Franzosen von mir fernzuhalten. Dann war ich eben nett. Also so nett, wie ich halt sein konnte ohne mich wie ein kompletter Vollidiot zu fühlen, nachdem ich ihn so lange so vehement abgelehnt hatte, nur, weil ich ihm jetzt in die Hose wollte, um das Ganze hinter uns zu bringen. Blieb halt nur zu hoffen, dass das auch funktionierte und ich es nicht noch schlimmer machte, als es eh schon war.