Dass es mir in seiner Gegenwart keineswegs besser ging, dürfte uns eigentlich beiden klar sein. Klargemacht hatte ich das zumindest mehr als nur einmal. Wie schlecht es mir gerade aber tatsächlich ging, konnte er nicht einmal ahnen. Nicht, dass es mir wirklich dreckig ging, allerdings ließ sich nicht abstreiten, dass mir mulmig war, wenn ich ihn so ansah mit seinem bescheuerten Grinsen im Gesicht. Séb hatte Spaß daran, meine Grenzen auszutesten, so schien es mir immer wieder. Irgendwie aber auch klar, wenn man bedachte, wie weit ich meine Grenzen bisher schon erweitert hatte, weil ich es nicht über mich brachte, dieses Gesicht zu schlagen. Dabei wäre er nicht einmal der erste hübsche Typ, dem ich direkt auf die Nase geschlagen hatte. Es war nicht üblich für mich, vor so etwas zurückzuscheuen und doch tat ich es offenbar oft genug, wenn es um ihn ging. Dabei hatte ich ihm bereits mehr als einmal Schläge angedroht. Verlor wohl auch einfach die Wirkung, wenn auf Worte niemals Taten folgten. „Und wovon träumst du nachts sonst noch?“ Hätte mich tatsächlich fast schon interessiert, wenn ich mir seine dämliche Antwort nicht eh schon hätte denken können. So wie ich ihn kannte, würde es nicht mehr geben als einen dummen Spruch über das, was er nun schon seit einer gefühlten Ewigkeit von mir zu bekommen versuchte.
Mit einem amüsierten Glucksen nahm ich seine Worte zur Kenntnis und schüttelte grinsend den Kopf. Was für ein Vollidiot, echt. „Ich glaube du vergisst, dass ich für gewöhnlich wenig Interesse daran habe, mit dir rumzuhängen.“ Musste er ja nicht direkt wissen, dass heute sein Glückstag sein musste. Viel amüsanter war es, ihn trotzdem ein kleines bisschen zappeln zu lassen. Sollte er doch versuchen, sich an mich ranzumachen – dann musste ich mir wenigstens nicht die Blöße geben ihm den Irrglauben zu vermitteln, dass ich etwas von ihm wollte. War ja auch völliger Schwachsinn, wenn ich mir eigentlich sicher sein konnte, dass er versuchen würde mich anzubaggern.
Erst einmal aber ging es um ganz andere, ernstere Themen die mich, aus irgendeinem Grund, einfach nicht so recht loslassen wollten. „Will ich hoffen – sollte er echt wissen.“ Zu ihrer beider Sicherheit so zu sagen, immerhin ging das eindeutig nicht nur Séb, sondern auch seinen Zwilling etwas an. War ja nicht ganz ohne, dass man so krass von einem Perversen bedrängt wurde und ehrlich gesagt hätte es mich echt brennend interessiert, ob so etwas häufiger passierte oder ob dieser Vorfall mit meinem penetranten Verehrer der Erste seiner Art war. „Ich bin so gut wie immer mit meiner Clique unterwegs.“ Nur, dass man sich dann halt im Verlauf des Abends mehr und mehr verteilte und oft genug getrennt voneinander, mit anderen Leuten, wieder nach Hause ging. Trotzdem hatte man eigentlich immer irgendwen in der Nähe, an den man sich im Falle eines Falles wenden konnte. „Gibt hier also noch ein paar andere Typen, an die du dich kletten kannst.“ Kurz hielt ich inne, musterte ihn einen Augenblick lang nachdenklich, ehe ich beschloss, ihm seine dumme Antwort einfach direkt abzunehmen. „Aber das möchtest du natürlich nicht – du möchtest dich an mich hängen. Stimmt’s?“ Wäre ja nichts neues, dass er mich deutlich bevorzugte, obwohl er eine größere Auswahl gehabt hätte. Wäre ja eigentlich auch ganz schmeichelhaft, wenn ich jemand gewesen wäre, der sich dafür interessierte.