Natürlich wusste ich sehr gut, dass der Andere sich nie besser durch meiner Gegenwart fühlte. Das hatte er nie und würde er wahrscheinlich auch nie, dennoch war Aufgeben nie eine Option für mich gewesen. Denn wer aufgab würde nie sein Ziel erreichen und ich war keine Person, die ein Nein akzeptierte oder jemals ans aufgeben dachte. Und die Sache mit Paco würde dabei keine Ausnahme sein, wenngleich nicht einmal ich selbst wusste, was diese Sache mit Paco eigentlich war. Oder warum ich so besessen von dem Mexikaner war, denn auch wenn ich es immer wieder abstritt, dass ich von ihm besessen war, war ich im Grunde doch genau das. Warum sonst hätte ich ihm sonst so am Hintern kleben sollen, nachdem er mir mehr als einmal gesagt hatte, dass ich ihn in Ruhe lassen sollte? Sein gutes Aussehen spielte da mit Sicherheit eine Rolle, doch wenn wir einmal alle ehrlich miteinander waren, dann mussten wir wohl einsehen, dass Paco ganz sicher nicht der einzige gutaussehende Kerl in Marseille war. Hier liefen zahlreiche heiße Typen herum, was also hatte mein Mitschüler an sich, dass ich es immer und immer wieder versuchen musste? Romantiker würden möglicherweise nun etwas von Liebe auf den ersten Blick faseln, doch daran glaubte ich kein bisschen. Liebe auf den ersten Blick war nur irgendein Mist, den sich Hollywood ausgedacht hatte, damit sich romantische Filme besser verkauften und Romantiker fest daran glauben konnten, dass ihnen so etwas auch passieren würde. Damit ihr Leben besser wurde. Oder warum auch immer sie sich an so etwas klammern mussten. Konnte mir allerdings auch egal sein, deutlich weniger egal war für mich aber die Frage, was Paco an sich hatte, dass mich so in den Bann zog. Und auch wenn ich die Antwort gerne sofort gehabt hätte, wusste ich auch, dass ich sie heute nicht mehr finden würde, aber irgendwann bestimmt. Hoffte ich zumindest.
Wovon ich nachts träumte? “Von dir, nackt und unter mir liegend…aber ich glaube, dass du das so genau bestimmt nicht wissen willst.”, konnte ich es nicht lassen, meinen Mitschüler grinsend zuzuzwinkern, während ich wusste, wie sehr es dem Anderen wahrscheinlich gegen den Strich gehen würde. “Nein, nein, keine Sorge. Das habe ich nicht vergessen, ich glaube dir nur nicht. Ist ein kleiner aber feiner Unterschied, mein Lieber.”, lächelte ich Paco an, denn wie könnte ich auch vergessen, dass er wenig Interesse an meiner Gesellschaft hatte, wenn er mir das so gut wie immer, wenn wir uns sahen, unter die Nase reiben musste?
Das Thema mit meinem Bruder war dabei deutlich weniger zum grinsen und verdammt ernst, sodass sich mein Grinsen sofort aus meinem Gesicht verabschiedete und stattdessen einem ernsten Blick Platz machte. “Ach ja, sollte er?”, wollte ich nun wissen, ließ dabei aber nicht durchblicken, dass ich tatsächlich mit dem Gedanken spielte es Tim einfach nicht zu sagen und mich deswegen gerade entsprechend ertappt fühlte. Aber ich vertraute darauf, dass der Andere mich nicht gut genug kannte und er es somit definitiv nicht bemerken würde. “Beim letzten Mal warst du aber nicht mit deiner Clique unterwegs gewesen.”, oder vielleicht war er es doch gewesen und hatte sie nur wegen mir alleine gelassen? Durchaus eine Möglichkeit, aber nicht unbedingt wahrscheinlich, bedachte man, wie sehr Paco mich nicht leiden konnte. Nicht, dass ich ihm das abkaufte, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass der Mexikaner sich dennoch die größte Mühe gab um ein perfektes Schauspiel diesbezüglich zu liefern. “Hab ich gesehen, dass es hier noch mehr Typen gibt. Bin schließlich nicht blind.”, teilte ich dem Älteren mit und grinste sofort wieder als ich seine weiteren Worte vernahm. So langsam schien Paco zu begreifen. Wurde auch langsam echt mal Zeit. “Ganz genau. Du lernst schnell, gefällt mir.”, neckte ich ihn nun lachend, bevor ich einen weiteren Schluck aus meiner Flasche trank.