Sie mochten sich nicht immer ganz einig sein, allerdings stand für Paco fest, dass seine Cousine ohnehin viel zu gut war für die Typen, die sich bisher so für sie interessiert hatten. Mochte sein, dass ihre Wortwahl oftmals ein wenig derb war und sie nicht zu diesen Tussis gehörte, die einem Mann das Gefühl gaben, das Sagen zu haben – aber das war ja auch gar nicht nötig und machte sie zumindest in Pacos Augen auch direkt viel besser. Hob sie von der breiten, langweiligen Masse ab. Er mochte niemand sein, der oft sentimental wurde und klar und deutlich ausdrückte, wie wichtig ihm gewisse Leute in seinem Leben waren, allerdings war er sich recht sicher, dass zumindest seine Familie und damit auch Izzy wusste, wie sehr er sie eigentlich liebte. Für seine Cousine hätte er, genau wie für seine Schwestern, so ziemlich alles getan, um sie glücklich zu machen. Für ihn stand das völlig außer Frage. Solang er sie hatte, brauchte er keine anderen Freunde. Natürlich hatte er die Jungs aus ihrer Clique und die hatte er auch wirklich gern, aber keinem von ihnen vertraute er so tiefgehend wie seiner jüngeren Cousine. „Finde ich auch.“, kommentierte er ihre Worte mit einem Schmunzeln und betrachtete sie für einen Moment einfach schweigend. Unfair war das Ganze wirklich. Sie wünschte sich das, was er gerade absolut unfreiwillig erlebte. Einen Typen, der sich wirklich ernsthaft um sie bemühte, weil er irgendwie mehr in ihr sah als die anderen. Zwar war der Mexikaner sich nicht ganz sicher, wieso Séb so viel Mühe in ihn steckte, aber in diesem Fall war das auch völlig egal. Dennoch war sich um ihn bereits weit mehr bemüht worden als um Izzy, obwohl er darauf im Gegensatz zu ihr absolut gar keine Lust hatte. Auf ihren Dank hin schüttelte er lediglich den Kopf, beschloss aber, nichts weiter dazu zu sagen. Sie war ihm zu keinerlei Dank verpflichtet, immerhin war er einfach nur ehrlich.
Das Folgethema war auch gleich weitaus interessanter, wie er fand, während er seiner Cousine das Gröbste vom Abend erzählte und diese offenbar ähnlich überwältigt von seinem kleinen Abenteuer war, wie er selbst. „Ich find‘ die bestimmt nochmal, aber ich fürchte der hat sich schon was anderes hübsches ausgeguckt.“, lachte er als sie sich darüber beschwerte, dass er keine Ahnung hatte was für eine Villa er da besucht hatte. Ne Chance hatte wohl keiner der Beiden mehr bei dem Typen, immerhin schien der doch ziemlich festgefahren gewesen zu sein. Also nicht, dass Paco viel Ahnung von diesen Dingen hatte, aber es war seiner Meinung doch verdammt eindeutig gewesen, dass da sehr viel mehr war als nur Unmut darüber, dass sein Angestellter einen Flirt mit nach Hause gebracht hatte. „Ich sags dir – echt.“ Wieder lachte er leise, die Augen für einen Moment geschlossen, um ganz in Ruhe durchzuatmen, während er bereits damit beschäftigt war, seine Antwort auf ihre Frage in Bezug auf Séb zusammen zu schustern. Er wusste nicht, wie weit er damit gehen wollte, ihr von der Situation des Jüngeren zu erzählen, aber ein paar kleine Randdetails wären bestimmt in Ordnung. Nichts, dass man nicht auch so irgendwie rausbekommen könnte. „Bezweifle ich. Soweit ich weiß, hat er nur seine Mutter und nen großen Bruder.“ Sachte zuckte er mit den Schultern und richtete sich wieder so auf, dass er Izzy ansehen konnte. „Jedenfalls hat er nie, was von nem Stiefvater erwähnt, aber sein Vater und seine Mutter haben sich getrennt als er ganz klein war, er hat den nie kennengelernt.“ Also zumindest nicht so, dass er es auch wirklich wahrgenommen hatte. „Und ne alleinerziehende Mutter mit zwei Kids wird’s nicht besonders leicht haben, selbst wenn sie gut verdient.“ Vielleicht hatte er noch immer mehr als ihre Familien – was nicht zwingend schwer war bei so vielen Kindern und so wenigen Erwachsenen, die das Essen auf den Tisch brachten – aber für einen Sugar Daddy reichte das sicherlich nicht. Allein die Diskussion aber reichte eindeutig, um ihn noch einmal an ihr Treffen vor ein paar Tagen zu erinnern und daran, was passiert war. Er wollte ganz ehrlich nicht in seiner Haut stecken und wenn er ehrlich war, kribbelte es ihm seitdem immer mal wieder in den Fingern, dem Jüngeren zu schreiben und zu fragen, wie es ihm ging. Ob er das Ganze gut verarbeitet hatte. Allerdings hätte er sich dann wohl auch mit ihrem Abschied auseinandersetzen müssen und auch, wenn so ein Kuss auf die Wange wirklich keine große Sache war, hatte Séb ihm damit doch für einen kurzen Augenblick den Boden unter den Füßen weggerissen. Lang genug, um schnell ins Haus zu fliehen, ohne ein paar auf die Mütze zu bekommen.
Izzys riss ihn zum Glück aus seinen Gedanken, ehe er noch tiefer darin versinken konnte und entlockte ihm ein neuerliches Schmunzeln „Once in a lifetime experience.“ Schon irgendwie, das musste er zugeben. „Vielleicht sollten wir uns mehr in der Nähe von Orten aufhalten, an denen reiche Schnösel unterwegs sind.“ Ja, vielleicht ließ sich dann ein lover mit ausreichend Kohle aufgreifen, dass selbst Paco bereit war sich dieses ganze Beziehungs-Ding noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen.