Er hatte das hier nicht wirklich durchdacht. Kein Wunder, war er aktuell auch gar nicht in der Lage irgendetwas wirklich zu durchdenken. Abgesehen von dem tristen, düsteren Gedankenkarussell, das er einfach nicht zum Stillstand bekam. Andernfalls hätte er sich wohl darauf vorbereitet, dass man ihn auf sein mitgenommenes Äußeres ansprechen würde. Oder hätte von vornherein von einem Treffen mitten im Entzug abgesehen. Damit, dass Dakota ihn jedoch so direkt darauf ansprechen würde, hatte er schlicht einfach nicht gerechnet und der Ire musste sich nun viel zu früh mit der Frage auseinandersetzen, was er seinem alten Freund sagen wollte. Er konnte eine Grippe vorschützen und behaupten schlicht und ergreifend krank zu sein. In dem Fall wäre ihr Treffen vermutlich ziemlich schnell beendet und er könnte zumindest perspektivisch die Lüge weiter aufrecht erhalten, dass sein Leben sich um seine Karriere drehte. Auf der anderen Seite bot sich ihm das erste Mal die Möglichkeit, ehrlich zu Dakota zu sein und die Lügen der letzten Jahre aufzudecken. Er hatte in Marseille keinen einzigen Freund, der ihm helfen konnte - wenn man mal von der komplizierten Beziehung zu Elias absah, von der er bis heute nicht wusste, ob sie wirklich nur freundschaftlich war. Vielleicht wäre es gut, einfach mal jemanden zu haben mit dem er reden konnte. Jemanden, der ihn kannte. Abgesehen davon, hatte er einfach keine Kraft mehr sein Lügenkonstrukt aufrecht zu erhalten. Nicht jetzt gerade. Einige Sekunden hatte er Dakota einfach nur aus müden Augen angeblickt, bis er schließlich kraftlos den Kopf schüttelte. "Mir gehts auch nicht gut.", gab er unumwunden zu und fuhr sich mit der Hand über den kratzigen Nacken, dem ein Friseurbesuch sicher gut getan hätte, ehe er die Hände in seine Jackentaschen schob. Seit Tagen war ihm quasi ständig kalt, weshalb er selbst bei schönem Wetter eine Jacke trug. "Ich bin gerade auf Entzug.", ließ er die Bombe schließlich platzen, spürte jedoch nur Scham und Selbsthass anstelle der erwarteten Erleichterung. "Die.. letzten Jahre liefen nicht ganz so gut, wie ich es dir und den Anderen versucht habe glauben zu machen.", was wohl die Untertreibung des Jahrtausends war.